٢٠.٣.٠٥

Persisches Neujahr legt Iran lahm

Die Zeit-Nuklearkrise, Erdbeben und Innenpolitik - alles was die iranische Öffentlichkeit in den vergangenen Wochen in Atem gehalten hat, tritt ab heute zurück. Am Sonntag um 16 Uhr 3 Minuten und 43 Sekunden Teheraner Zeit beginnt das persische neue Jahr 1384 und damit die Feierlichkeiten zum wichtigsten iranischen Fest - Nowruz.
TEHERAN. Doch wer nun tagelang Feuerwerk und orientalischen Trubel erwartet, sieht sich enttäuscht. Für gut zwei Wochen verfällt das Land in eine eigentümliche Ruhe: Die Millionenstadt Teheran, sonst der institutionalisierte Verkehrsstau, lässt sich nun bequem und zügig mit dem Auto durchqueren.
Sogar der Smog hat offenbar Urlaub genommen. Behörden, Firmen und die Regierung selbstverständlich auch. Und US-Präsident George W. Bush wünscht den Iranern über den von der amerikanischen Regierung bezahlten Auslandsradiosender "Farda" ein glückliches neuen Jahr - nicht ohne die alte Nowruz-Tradition zu würdigen.
Anders als die islamische Zeitrechnung ist Nowruz bereits rund 2500 Jahre alt. Das Fest reicht tief in die iranische Geschichte zurück und ist daher den Machthabern der Islamischen Republik lange Zeit ein Dorn im Auge gewesen. Doch trotz der Versuche, es in den Hintergrund zu drängen und vor allem die "heidnische" Zeremonie des Feuerspringens - immer vor dem letzten Mittwoch des alten Jahres und vor allem bei Kindern und Jugendlichen wegen des damit verbundenen Böllerzündens beliebt - zu unterbinden, Nowruz versetzt die Iraner nach wie vor jedes Jahr in einen besonderen Zustand.
Bis zur letzten Minute wird gekauft (Geschenke für die Kinder), geputzt (die Wohnung - sogar nachts) und gekocht (Fisch und Reis mit Gemüse). Auch wichtige Geschäfte sollten erledigt sein, Schulden wenn möglich bezahlt. Die schon an normalen Tagen hochtourige Betriebsamkeit iranischer Städte schraubt sich vor Nowruz zu einem Höhepunkt. An den Banken geht das Bargeld aus.
Der Grund liegt in den Wurzeln des Festes, das immer auf den kalendarischen Frühlingsanfang fällt: Die Welt und die Natur erneuern sich, das Alte und Belastende fällt ab. Nowruz ist ein Fest der Fröhlichkeit, der Hoffnung und der Familie.
Nicht für Goldfische. Zu den Nowruz-Traditionen gehört es, einen Tisch mit sieben Dingen zu decken, die auf Farsi mit einem "S" anfangen wie Apfel oder Hyazinthe. Der Goldfisch zählt zwar nicht dazu, er symbolisiert aber "Leben". Auf den Straßen werden vor Nowruz die Utensilien für den Neujahrstisch an jeder Straßenecke feilgeboten, auch die Goldfische in großen Behältern, die dann aber in den iranischen Wohnzimmern in großen Einmach- oder Cognac-Gläsern die kommenden zwei Wochen ihr Dasein fristen müssen.
Falls sie nicht unbemerkt auf dem Fußboden verenden, weil sie sich mit einem Sprung aus ihrem engen Gefäß retten wollen, winkt ihnen erst nach zwei Wochen die Freiheit. Dann, am Ende der Feierlichkeiten, an denen sich die Familienmitglieder untereinander gegenseitig besuchen, fahren die Familien zu einem Picknick ins Grüne, pflanzen die ebenfalls auf dem Neujahrstisch stehenden Gräser auf eine Wiese und setzen die Fische im nächst erreichbaren Gewässer aus.
Viele Iraner velassen für die Neujahrsfeiern ihr Land. Flüge ins Ausland, vor allem aber ins benachbarte Dubai sind schon Monate im voraus ausgebucht.
Dort oder auch bei Freunden und Familie in Europa oder den USA können sie unbeschwert das tun, was auch zu Nowruz gehört: unbeschwert laut feiern.